Gottesfurcht - Gedanken zu Mk 9,2-10
Petrus, Jakobus und Johannes sind unter den Aposteln diejenigen, die den Herrn am besten kennen. Als seine Vertrauten erlauben sie sich Fragen und Rückmeldungen, die Zeichen einer großen Freiheit im Umgang mit ihm sind. Petrus ist deswegen auch in manche Fettnäpfchen getreten und musste manche Zurechtweisungen einstecken. Aber diesmal “waren sie von Furcht ganz benommen“. Das, was sie sehen, gehört einer anderen Welt an, und nicht mehr dieser Welt.
Wenn Jesus Kranke heilte, im Tempel lehrte, Trauernde tröstete, sich mit den Schriftgelehrten stritt, war alles außerordentlich, genial, von einer noch nicht gesehenen Liebe, Kraft, Intelligenz. Nichts davon war alltäglich. Aber sie sahen doch einen Menschen vor ihren Augen, auch wenn sie immer mehr zum Glauben an ihn kamen.
Diesmal nicht. Was sie sehen, kann man eigentlich nicht sehen. Sie dürfen sich wie durch eine Tür in die andere Welt hineinwagen. Sie sehen, wer Jesus ist, und sind „von Furcht ganz benommen“. Furcht hat nichts mit Angst zu tun. Angst jagt Schrecken in die Seele ein, lässt uns zittern und lähmt uns. Angst blockiert. Furcht überwältigt, sprengt unsere eigenen Fähigkeiten, gibt uns das Gefühl, ganz klein zu sein, vor etwas Großem, viel zu Großem für uns zu sein, aber sie lähmt nicht. Im Gegenteil: Die Furcht stößt uns an, unsere Grenzen zu sprengen, entflammt in uns den Wunsch, zu dieser anderen größeren Welt zu gehören. Die drei Jünger, die vor lauter Angst in der entscheidenden Stunde weglaufen und sich verstecken werden, wollen Hütten bauen. Nicht, um darin zu wohnen, denn dessen sind sie nicht würdig, aber doch um zu dieser anderen, überwältigenden Welt zu gehören, auch wenn nur am Rande, als Diener, denn sie können nicht mit dem verklärten Jesus, mit Mose, mit Elija mithalten.
Wir haben die Gottesfurcht verlernt, ja manchmal sogar bewusst aus Predigt und Lehre in der Kirche und unbewusst aus unserer Gottesbeziehung verbannt, weil wir sie mit der Angst vor Gott verwechselt haben. Diese können wir wirklich aus unserem Leben verbannen. Aber die Gottesfurcht brauchen wir, denn sonst verkümmert unser Glaube zu einem Menschenwerk, zu einem System, zu Überzeugungen, zu Handlungen, die bestens in diese unsere Welt passen. Christus ist aber gekommen, um eine andere, seine Welt, in diese unsere Welt zu bringen. Machen wir die Tür der Gottesfurcht wieder auf, um uns immer wieder in diese andere Welt hineinzuwagen!
28.02.2021
Evangelium! - Gedanken zu Mk 1,12-15
„Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe.“ Es ist wirklich ein „Evangelium“, eine frohe, feierliche Botschaft von historischer Bedeutung. Ob Markus daran gedacht hat, dass sie bis ans Ende der Zeiten widerhallen wird? Sicherlich war er von der Tragweite und Sprengkraft dieser Worte überzeugt, sonst hätte er sie nicht als „Evangelium“ bezeichnet.
Ist uns eigentlich die Tragweite dieser Worte klar? Hören wir überhaupt die Botschaft, oder sind wir so gewohnt, das Evangelium zu hören, dass wir seine Botschaft überhören? Wie das Radio, das bei einer Autofahrt auf der A1 im Hintergrund läuft, und wir erst merken, dass die Staumeldungen vorgetragen werden, wenn die Rede von der A555 ist… Oder hören wir sie und stecken sie gleich in die Schublade mit der Überschrift: Fromme Wünsche - hat aber mit der Wirklichkeit nichts zu tun. Denn, ehrlich gesagt, wo bleibt dieses Reich nach 2000 Jahren Christentum? Sie klingen fromm, aber sie erreichen mich genauso wenig wie die Verkehrsnachrichten... Warum sind wir taub geworden? Die Sendung ist nicht mehr spannend, wir kennen sie schon. Und hinzukommt, dass der, der die Botschaft ausspricht, unsichtbar geworden ist. Eine anonyme Stimme, die wir mit keinem Gesicht verbinden - wie der Nachrichtensprecher im Radio.
Deswegen: Kehre um! Suche Jesus Christus, suche sein Antlitz! Öffne dein Ohr, dein Herz, dein Leben für sein Wort! Mache dich auf und vergiss es nicht: Er ist und bleibt Geheimnis, denn er ist Gott.
Aber wo können wir seine Stimme hören? Wo können wir ihn sehen? Vierzig Tage hat sich Jesus in die Wüste zurückgezogen, allein mit dem Vater. Unsere Wüste ist das Gebet, die Stille vor dem Herrn, unser innerer Dialog mit ihm. Er und wir: Er ist da. Das ist alles. Mehr brauchen wir nicht. Deswegen auch eine Fastenzeit, um zu lernen, dass wir auf alles andere verzichten können, wenn wir IHN haben. Aber wir müssen ihm auch begegnen können: Freilich in den Sakramenten, gerade im Sakrament der Versöhnung und in der Eucharistie, aber auch in der Kirche, jener geheimnisvollen Gemeinschaft von Menschen, die so schwach sind wie ich, und doch von ihm erwählt, berufen, gesandt wurden. Und dann sind auch die Lieblinge Jesu da, die Kleinsten und Ärmsten, von denen er gesagt hat, was wir ihnen getan haben, haben wir ihm getan.
Um umkehren zu können, müssen wir glauben, dass wir Christus finden können. Denn dies ist das Evangelium: Der Herr ist hier! (GC)
21. Februar
Wenn Du willst... - Gedanken zu Mk 1,40-45
Wenn du willst… Wie zaghaft und doch bestimmt beginnt dieser Aussätzige. Die Evangelien sind voll von Menschen, die sich ihre Verzweiflung buchstäblich von der Seele schreien und keine Ruhe geben. Nicht dieser Mann: „Wenn du willst, kannst du mich rein machen.“ Ich stelle mir vor, wie er nur wenige Schritte von Jesus entfernt - und nicht so weit weg, wie er sollte - diese Worte ausspricht. Hat er gewagt, ihm in die Augen zu blicken oder war sein Blick gesenkt? Ein Aussätziger besitzt eigentlich kein Leben mehr. Erst wenn der Priester im Tempel, in der Wohnstätte Gottes unter den Menschen, ihn für rein erklärt, darf er wieder am Leben teilhaben.
„Wenn du willst, …“ Er hat nichts mehr, aber er glaubt. Deswegen bettelt er nicht, sondern bittet. Die verlorene Würde hat er bereits zurückerlangt. Als Antwort streckt Jesus seine Hand aus und berührt den Unberührbaren. Mir fällt die berühmte „Erschaffung Adams“ von Michelangelo ein: Gott und Mensch strecken sich die Zeigefinder entgegen. Aber sie berühren sich nicht, es bleibt ein letzter Abstand, wenn auch nur minimal. Nun ist auch dieser Abstand weg. Jesus hatte Mitleid mit dem Mann, berührte ihn und machte ihn rein. Das entscheidende Wort, das diesen letzten Abstand überbrückt, ist „Mitleid“.
Äußerlich betrachtet sieht es so aus, als ob Jesus alles zufälligen Begegnungen überlassen und als ob er planlos durch die Gegend wandern würde. Aber sein Handeln hat eine innere Logik, und sie heißt Mitleid. Mitleid ist eine Ausdrucksform der Liebe, die besonders vor einem Fremden entsteht, aus einer Distanz, also eine „ungeschuldete“ Liebe. Indem Jesus sich erbarmt, Mitleid hat, offenbart er sich selbst, damit man erkennen kann, dass Gott Liebe ist. Und er berührt uns, buchstäblich und in übertragenem Sinn, mit seiner Liebe, mit seinem Mitleid.
Liebe kann man nicht lernen, sondern nur erfahren und leben und dadurch darin wachsen. Mein alter Pfarrer wiederholte uns Kindern beim Katechismus-Unterricht immer wieder: Als Christ zu leben, ist einfach, es reicht eine einzige Frage: „Wie würde Jesus jetzt in dieser Situation handeln?“ Seit fast 50 Jahren muss ich immer wieder beschämt feststellen, dass der Weg noch lang ist: Der Herr hätte weder sein Recht gesucht, noch seine Überzeugungen verteidigt, er hätte keine wichtigeren Aufgaben und Verpflichtungen gehabt, er hätte nicht abgewogen und gerechnet: Er hätte Mitleid gehabt. (GC)
14. Februar 2021
Alle suchen Dich! - Gedanken zu Mk 1,29-39
„Alle suchen dich.“ Seine Jünger finden ihn, denn sie wissen, wo sie ihn suchen müssen, weil sie ihn kennen. Wer Jesus kennt, weiß, wo er ist, wo er sich befindet: beim Vater, im Gebet. Seine Jünger sind selten zu finden, wo er wirklich ist. Wenn er Kranke heilt, Dämonen austreibt, die Menschenmenge mit seinen Gleichnissen in den Bann zieht, fehlen sie nie, sie sind seine treue Gefolgschaft. Aber wenn er sich zum Gebet in die Einsamkeit zurückzieht, finden wir sie selten.
Ich stelle mir Petrus vor. Die ganze Stadt versammelte sich vor seiner Haustür, nachdem die Nachricht sich in Windeseile verbreitet hatte: Die Schwiegermutter des Petrus, die mit Fieber im Bett lag, wurde von Jesus geheilt. Und Petrus darf ihn, Jesus, beherbergen. Mit einem solchen Menschen zeigt man sich gerne. Wie wird er auf Nachbarn und Freunde geschaut haben, die auf ihn neidisch waren!
Nur wenn er in der Nacht zum Gebet aufsteht, laufen die Jünger ihm nicht nach. Und eigentlich blicken sie auch sonst nicht ganz durch. Woher kommt seine Kraft? Sie staunen; sie sind fasziniert; sie folgen ihm; aber eigentlich verstehen sie ihn nicht. Sie verstehen nicht, dass alles aus seiner Beziehung zum Vater kommt. Das Gebet Jesu bleibt ihnen lange fremd. Es kann nicht mit dem gebotenen Gebet verglichen werden, das alle frommen Juden – auch Jesus mit ihnen! – verrichten. Es ist anders; es ist nicht von seiner Person, von seinem Wesen zu trennen.
Irgendwann wünschen sie es sich auch für sich selbst: „Herr, lehre uns beten!“ Und Jesus hat ihnen und uns das Vater Unser geschenkt. Gebet ist Beziehung zum Vater, eine bleibende Beziehung, in die alles miteinbezogen wird. Jesus betet immer, auch wenn er „arbeitet“, wenn er heilt, Dämonen austreibt, predigt. Alles entspringt aus dieser Beziehung zum Vater, die ihn ausmacht.
Und wir, was macht uns aus? Wie die Jünger, können auch wir nur mit Jesus „Vater“ sagen. Wir bestehen aus der Beziehung zu Jesus, wir sind Christen. Wir sind und bleiben immer Schwestern und Brüder Christi, Kinder Gottes, egal was wir tun. Jede Stunde, jede Handlung, jedes Wort, jede Geste, die aus dieser Beziehung heraus gelebt werden, sind Gebet und können heilen, aufrichten, das Böse vertreiben. Aber damit es so ist, brauchen wir Zeiten, die nur von Ihm, von Christus, erfüllt sind; brauchen wir eine Zeit des inneren Dialogs mit ihm; eine Zeit, in der wir zusammen mit ihm ganz bewusst rufen können: Vater Unser! (GC)
07. Februar 2021
Frohe Weihnachten
In diesen Tagen spricht man viel darüber, WIE wir Weihnachten feiern dürfen. WAS wir feiern, wird selten erwähnt. Gott wird Mensch, um den Menschen zu erlösen. Alles, was er in der Menschwerdung übernommen hat, hat er erlöst. Dazu gehören auch die menschlichen Beziehungen. Christus ist ein Freund geworden, in ihm sind wird Kinder Gottes, also seine Brüder und Schwestern geworden. Mit ihm sind wir nie mehr allein.
Wir hoffen, dass keiner von Ihnen Weihnachten alleine feiern muss. Jedem wünschen wir, dass er die Begleitung und Anwesenheit des Herrn in seinem Leben erfahren und sich darüber freuen kann. Auch wenn Verwandte und Freunde unser Haus in diesem Jahr nicht betreten dürfen, IHM können wir den Eintritt nicht verweigern, denn er will Immanuel, Gott mit uns sein, und unter uns wohnen.
Frohe und gesegnete Weihnachten wünschen
P. Gianluca und Mitbrüder